Formverstoß: BGH
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BGH zu Formfehlern
Handschriftliche Ergänzungen auf einer vorgefertigten Vergütungsvereinbarung können die Forumunwirksamkeit der gesamten Vereinbarung zur Folge haben:
Gericht: BGH, Entscheidungsdatum: 03.11.2011, Aktenzeichen: IX ZR 47/11
Quelle: Deutscher Anwaltverein, Fundstelle: AnwBl 2012, 97-98 zu 3a RVG, 126b BGB
Textform bei Vergütungsvereinbarung: Zusätze können formschädlich sein
Leitsatz
Für den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung sind nicht die im Zeitpunkt der unbedingten Auftragserteilung, sondern die im Zeitpunkt des Zustandekommens der Vereinbarung geltenden rechtlichen Regelungen maßgeblich.
Der Textform ist nicht genügt, wenn es infolge nachträglicher handschriftlicher Ergänzungen an einem räumlichen Abschluss der Vereinbarung fehlt.
BGH zu Formfehlern
Aus den Gründen: [15] 2. Da die vorliegende Vergütungsvereinbarung aufgrund der von der Beklagten eingefügten handschriftlichen Ergänzungen nicht der Textform des 126b BGB, 3 a Abs. 1 Satz 1 RVG entspricht, ist die Vergütungsvereinbarung nichtig ( 125 Satz 1 BGB) und der mit der Klage verfolgte Honoraranspruch ( 611 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB) unbegründet.
[16] a) Eine Vereinbarung über die Vergütung bedarf nach 3 a Abs. 1 Satz 1 RVG der Textform des 126 b BGB. Der durch die Regelung begründete Formzwang gilt im Unterschied zu 4 Abs. 1 Satz 1 RVG a. F. nicht nur für das Honorarversprechen des Mandanten, sondern für die Vereinbarung im Ganzen und folglich auch für die Erklärung des Rechtsanwalts (Onderka in Schneider/Wolf, aaO, 3 a Rn. 32; Bischof, aaO, 3 a Rn. 10; Gerold/Schmidt/Mayer, aaO, 3 a Rn. 6).
[17] b) Schreibt das Gesetz die Wahrung der Textform vor, muss gemäß 126 b BGB die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe von Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Damit verlangt die Regelung, dass die Erklärung in Schriftzeichen lesbar abgegeben, die Urheberschaft angegeben und ihr räumlicher Abschluss erkennbar sind (BT-Drucks. 14/4987 S. 19).
[18] aa) Wird wie im Streitfall eine Erklärung durch Telefax abgegeben, ist den Anforderungen an die Lesbarkeit genügt (BT-Drucks., aaO). In der Erklärung müssen der oder die Verfasser zweifelsfrei zum Ausdruck kommen (MünchKomm-BGB/Einsele, 5. Aufl., 126 b Rn. 5). Insoweit bestehen ebenfalls keine Bedenken, weil die Parteien in der Honorarvereinbarung namentlich angeführt sind.
[19] bb) Jedoch fehlt es an dem außerdem erforderlichen räumlichen Abschluss der Erklärung.
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[20] (1) Anders als bei der Schriftform ( 126 Abs. 1 BGB), bei welcher die Unterschrift den räumlichen Abschluss der Urkunde bildet, kennt die Textform keine starre Regelung für die Kenntlichmachung des Dokumentenendes (Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, 2. Aufl., 126 b Rn. 7). Es bedarf jedenfalls eines eindeutig wahrnehmbaren Hinweises, der sich räumlich am Ende befindet und inhaltlich das Ende der Erklärung verlautbart (juris-PK-BGB/Junker, 5. Aufl., 126 b Rn. 30). Zur Erfüllung dieses Zwecks kommt neben der Namensunterschrift ein Zusatz wie "diese Erklärung ist nicht unterschrieben", ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, eine Datierung oder Grußformel in Betracht (OLG Hamm NJW-RR 2007, 852; juris-PK-BGB/Junker, aaO, 126 b Rn. 31, 32; MünchKomm-BGB/Einsele, aaO, 126b Rn. 6; Bamberger/Roth/Wendtland, aaO). Durch den räumlichen Abschluss der Erklärung muss die Ernstlichkeit des Textes in Abgrenzung eines keine rechtliche Bindung auslösenden Entwurfs deutlich gemacht werden (BT-Drucks., aaO, S. 20).
[21] Vorliegend war die von den Klägern entworfene Vereinbarung vor dem Hintergrund des zu diesem Zeitpunkt die Beachtung der Schriftform erfordernden Rechtszustands ( 4 Abs. 1 Satz 1 RVG a. F.) dahin konzipiert, dass sie von den Klägern und der Beklagten unterzeichnet werden sollte. Unterhalb der Unterschriftenzeile war für die Kläger der Schriftzug "Anwaltsbüro" und für die Beklagte der Schriftzug "Auftraggeber" angebracht. Diese Kennzeichnung genügt für sich genommen in der Art einer maschinenschriftlichen Unterschrift (vgl. Bischof, aaO, 3 a Rn. 14) als räumlicher Abschluss der Textform des 126 b BGB.
[22] (2) Jedoch hat die Beklagte im Blick auf die Fälligkeit der Vergütung unterhalb des durch die Namensnennungen räumlich abgeschlossenen Textes handschriftliche Ergänzungen vorgenommen. Da bei Beachtung der Schriftform ( 126 Abs. 1 BGB) die Unterschrift den Vertragstext räumlich abschließen muss, führen unterhalb der Unterschrift angefügte Vertragsnachträge zur Formunwirksamkeit der Erklärung (BGH, Urteil vom 20. November 1990 XI ZR 107/89, BGHZ 113, 48, 50 ff; vom 24. Januar 1990 VIII ZR 296/88; NJW-RR 1990, 518 f; vom 27. Juni 1994 III ZR 117/93, NJW 1994, 2300 f). Auch wenn die Wahrung der Textform keine Unterschrift erfordert, darf der auf andere Weise verdeutlichte Abschluss der Vereinbarung ebenfalls nicht durch Vertragsnachträge beseitigt werden. Dies ist vorliegend jedoch infolge der von der Beklagten unterhalb des durch die Unterschriftszeilen kenntlich gemachten räumlichen Abschlusses vorgenommenen handschriftlichen Ergänzungen geschehen. Zur Wahrung der Textform hätte für diese Gesamterklärung von beiden Seiten beispielsweise durch eine Paraphierung ein neuerlicher Abschluss geschaffen werden müssen. Dies ist jedoch von den Parteien mit der Folge der Formunwirksamkeit versäumt worden. Allein das Seitenende einer schriftlichen Erklärung kann, weil die Möglichkeit einer Fortsetzung auf einer weiteren Seite in Betracht kommt, entgegen der Auffassung der Revision nicht als Abschluss der Erklärung gewertet werden.
[23] c) Die Wahrung der Textform war hier nicht im Blick auf den Inhalt der von der Beklagten vorgenommenen handschriftlichen Änderungen entbehrlich.
[24] Der gesetzlichen Form bedürfen solche Abreden nicht, die für den Inhalt des Vertrags, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere für Bestimmungen, die nicht über das hinausgehen, was bereits im Vertragstext selbst seinen Niederschlag gefunden hat, oder die dessen Inhalt nicht modifizieren, sondern lediglich erläutern oder veranschaulichen sollen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 IX ZR 200/03, NJW 2005, 884, 885). Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden, weil die von der Beklagten eingefügte Fälligkeitsregelung ihre Zahlungspflicht in einem wesentlichen Punkt umgestaltet. Anerkannt ist, dass etwa die Zahlungsbedingungen betreffende Nebenabreden dem Formgebot unterfallen (MünchKomm-BGB/Einsele, aaO, 125 Rn. 32; Bamberger/Roth/Wendtland, aaO, 125 Rn. 10; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., 125 Rn. 5). Hier hat die Beklagte mit Hilfe ihrer handschriftlichen Ergänzung die Fälligkeit der Honorarzahlung durch die Bezugnahme auf die Abwicklung und damit die Beendigung des Verfahrens wesentlich hinausgeschoben, so dass eine Modifizierung des Vertragsinhalts gegeben ist.
Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de (AnwBl Online 2012, 35).